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Holger Schmidt: „Disruption erfolgt meist per Geschäftsmodell, seltener über bahnbrechende technische Innovationen“

Road to #Adobe Symp

Ein wichtiger Treiber für die digitale Transformation ist die Verfügbarkeit von Internet-Breitbandverbindungen. Laut aktuellem State of the Internet Report belegt Deutschland mit einer Internetgeschwindigkeit von 14,1 Mbit/s weltweit nur den 24. Platz – zwar einen Platz besser als beim letzten Leistungscheck, aber immer noch weit hinter den Top-Ten der Schnellsurfer, die Geschwindigkeiten zwischen 17 (Island) bis 27 Mbit/s (Südkorea) erreichen. Umfassender mit dem Thema digitale Transformation setzt sich der Wirtschaftsindex DIGITAL auseinander: Danach wuchs der Digitalisierungsgrad Deutschlands im Vergleich zum Vorjahr zwar auf 55 von 100 möglichen Indexpunkten (plus 6 Punkte). Zugleich konstatiert die Untersuchung jedoch eklatante Unterschiede zwischen den einzelnen Branchen. Zu seiner Einschätzung der digitalen Transformation Deutschlands haben wir Netzökonom Holger Schmidt in unserem neuen Format „3 Fragen/ 3 Antworten“ befragt.

Übrigens: Der bekannte Journalist und Blogger wird sich passend zum Thema beim anstehenden Adobe Symposium in Hamburg am 17. November als Keynote-Speaker der Frage widmen, was Medien aus den Geschäftsmodellen der digitalen Ökonomie lernen können. Jetzt kostenlos anmelden!

Hallo Herr Schmidt, wie sehen Sie die Lage unserer digitalen Nation mit Blick auf die aktuelle Datenlage? Gemütlich zurücklehnen, weil schon alles gut wird oder jetzt erst richtig Gas geben?

Holger Schmidt

Holger Schmidt: Gemütlich zurück sollte sich niemand mehr lehnen. Denn wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, haben wir die erste Halbzeit der Digitalisierung klar verloren. Alle wesentlichen Konsumentenmärkte werden von US-Firmen dominiert – seien es Amazon, Facebook, Google, Airbnb oder Booking.com. Deutschland hat keinen einzigen digitalen Weltmarktführer zustande gebracht. Und nun beginnt die Digitalisierung der Märkte wie Autos, Maschinenbau oder Logistik, die für unseren Wohlstand besonders wichtig sind. Eine ähnliche „Erfolgsbilanz“ können wir uns in diesen Branchen nicht mehr erlauben.

Die zweite Halbzeit der Digitalisierung ist also eingeläutet. Die großen Plattformanbieter aus der Internetbranche stehen schon wieder in den Startlöchern. Stichwort: Amazon Business, Facebook at Work & Co. Was kann der deutsche Mittelstand dem entgegensetzen?

Holger Schmidt: Wir stellen die Produkte her, um die uns die ganze Welt beneidet. Aber wir müssen diese Produkte nun intelligent machen, also Sensoren einbauen, sie mit dem Internet der Dinge verbinden, Daten erheben und auswerten. Parallel sollten wir erkennen, dass intelligente Produkte ganz andere Geschäftsmodelle ermöglichen. Lebenslanger Service oder permanente Verbesserungen per Software-Update wie beim Smartphone bieten sich hier an. Wenn wir etwas aus der ersten Digitalwelle gelernt haben sollten, dann dass die Disruption meist per Geschäftsmodell erfolgt, seltener über bahnbrechende technische Innovationen. Plattformen spielen hierbei die wichtigste Rolle.

Zu B2B-Plattformen im Detail als mögliche Heilsbringer der deutschen Maschinenbauer: Können Sie kurz die Mechanismen einer B2B-Plattform erklären? Wer und was kommt auf solchen Plattformen idealerweise zusammen?

Holger Schmidt: Eine Plattform schiebt sich als Vermittler zwischen Anbieter und Nachfrager. Sie ist besonders bei den Nachfragern beliebt, weil sie deren Transaktionskosten (also für die Suche nach einem Anbieter, den Preisvergleich und den Abschluss der Transaktion) erheblich reduziert. Wenn die Plattform bei den Nachfragern populär ist, steigen die Anreize für die Anbieter eines Produktes, ebenfalls dort präsent zu sein. Mehr Anbieter bedeuten ein besseres Angebot, was wiederum mehr Nachfrager anlockt. Wer also diese indirekten Netzwerkeffekte am besten managen kann, baut die dominante Plattform auf. Das funktioniert nicht nur in Konsumentenmärkten, sondern ebenso gut in B2B-Märkten. Amazon Business ist ein schönes Beispiel dafür: Der Online-Händler erzielt bereits eine Milliarden Dollar Umsatz mit B2B-Produkten. Aber die Tür steht natürlich deutschen Unternehmen genauso offen. Die besten Startvoraussetzungen haben Unternehmen auf stark fragmentierten Märkten, auf denen die Nachfrager unter hohen Transaktionskosten leiden. TradeMachines.com aus Berlin baut gerade eine Plattform für gebrauchte Maschinen auf. Ein riesiger Markt, der extrem fragmentiert ist, weil es unglaublich viele Anbieter und Nachfrager gibt. Und solche Märkte gibt es viele.

>> Mehr Information zum Thema Digitale Transformation liefert das aktuelle Buch von Tobias Kollmann und Holger Schmidt „Deutschland 4.0“.

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