Graffiti als kreativer Urknall
David, schön dass du dir die Zeit genommen hast für uns. Als Einstieg würde uns interessieren, wie du zur Kunst gekommen bist? Was war dein Zugang zu Kreativität und kreativem Arbeiten?
David Mascha: Bei mir hat eigentlich alles mit Graffiti angefangen, das war so Ende der 90er Jahre. Schon als Kind war ich immer fasziniert, wenn ich mit der Bahn gefahren bin und die bemalten Wände gesehen habe. 1997 war ich in San Francisco, bin da mal die komplette Bahnlinie entlang gegangen und habe alles abfotografiert was ich an Graffiti gesehen habe. Zu Hause fing ich an, das nachzuzeichnen und einfach zu kopieren. Irgendwann habe ich mir dann Spraydosen gekauft und selber angefangen zu malen. Ich glaube, durch Graffiti bzw. Street Art habe ich gelernt, mit Farben und Formen umzugehen: Was lässt sich womit sich womit kombinieren? Wie nutzt man den Untergrund, auf dem man malt, am besten? Diese und weitere Aha-Erlebnisse haben mich enorm weitergebracht.
Deine ursprüngliche Inspiration war also Graffiti und Street Art – wie ging es dann für dich weiter?
DM: 2002 habe ich angefangen, Multimedia-Design in Wien zu studieren. Vorher hatte ich bereits ein wenig mit Photoshop experimentiert und gemerkt, dass mich der Computer als Werkzeug interessiert und wie hilfreich die charakteristischen Funktionen von Photoshop sind. Praktisch ist zum Beispiel, dass man jederzeit einen Schritt zurückgehen kann. Mit einem Stift oder einer Dose in der Hand ist das natürlich nicht so einfach. Zu dieser Zeit war ich auch auf Deviant Art unterwegs und habe so viele Leute kennen gelernt und mir Inspiration geholt. Das war auf jeden Fall sehr wichtig für meinen zukünftigen Weg.
Das Studium konnte ich schließlich sehr gut abschließen. Danach habe ich mich bei einigen Agenturen in Wien beworben und bin schließlich auch in einer kleinen Agentur gelandet. Für mich war es super zu sehen, wie da so gearbeitet wird. Allerdings habe ich relativ schnell gemerkt, dass mir die Arbeit zu wenig kreativen Spielraum lässt. Als ich nach zweieinhalb Jahren genug angespart hatte, habe ich also einfach mal versucht, mich selbstständig zu machen.
Durchbruch in New York, zuhause in Wien
Wie lief der Übergang in die Selbstständigkeit?
DW: Es war nicht leicht. Ich hatte immer wieder kleinere Projekte in Wien, aber etwas Großes war nicht dabei. Ich stand dann also vor der Frage, wieder zurück in eine Agentur zu gehen oder etwas ganz Anderes zu machen. Anfang 2010 war meine eigene Website endlich fertig und auch auf Behance war ich recht aktiv. Das spielte, glaube ich, schon eine große Rolle. Vielleicht sind auch über diesen Weg Leute auf mich aufmerksam geworden. Keine zwei Monate später kam auf jeden Fall eine Anfrage von Ogilvy aus New York.
Wow, Ogilvy ist so mitten aus dem Nichts auf jeden Fall eine Hausmarke! Was wollten sie?
DM: Ja, definitiv. Es ging um die „Power Your Planet / System X“-Kampagne von IBM. Ich habe zwei Illustrationen erstellt, wovon eine sogar im Werbevideo von IBM gelandet ist. Eine Illustration hat es sogar auf die Rückseite der New York Times und eine ins Wall Street Journal geschafft. Das war für mich der Moment, als ich gemerkt habe: Okay, es funktioniert anscheinend doch.
In den folgenden Jahren habe ich immer wieder Anfragen bekommen, bei denen Arbeiten im Stil des IBM-Projekts gewünscht waren. Man kann also sagen, dass dieser Auftrag sowas wie mein „Türöffner“ war. Ich habe auch im Anschluss noch verschiedene Projekte gemeinsam mit IBM umgesetzt und bin so mit verschiedenen amerikanischen Agenturen in Kontakt gekommen, vor allem aus New York und San Francisco. 2011 habe ich zum Beispiel von Goodby Silverstein & Partners eine sehr coole Anfrage bekommen und durfte mit sehr viel kreativer Freiheit eine Illustration für Adobe machen. Seit dem bin ich in stetigen Kontakt mit der Agentur, was echt super ist.
Trotz der guten Kontakte in die USA, hast du dich trotzdem dafür entschieden, in Wien zu bleiben. Weshalb?
DM: In Wien bin ich geboren und aufgewachsen, mein komplettes Umfeld ist hier. In den vergangenen Jahren hat diese Konstellation sehr gut funktioniert. Durch die moderne Technik heutzutage kann ich im Prinzip ja außerdem von überall arbeiten. Die wichtigsten Programme habe ich auf meinem Rechner, der ohnehin mein Hauptwerkzeug ist. Außerdem: Wer weiß, vielleicht verschlägt es mich ja auch nochmal für eine längere Zeit in die USA.
Ich glaube zudem, dass vor allem Wien und Graz einen ziemlich feinen Kreis an richtig guten Künstlern haben. Allgemein kann man sagen, dass sich in der österreichischen Kreativ-Szene was tut und junge Künstler Dinge neu angehen und verändern wollen. Ein großes Vorbild für mich ist zum Beispiel Stefan Sagmeister. Der hat es geschafft, hat sein Studio in New York und zeigt damit, dass österreichische Künstler auch in Amerika Erfolg haben können.
Du hast die moderne Technik angesprochen: Gibt es für dich aktuelle Trends, die du beobachtest und die Veränderungen für die Branche mit sich bringen?
DM: Ich denke, die neuen Tools für die mobilen Geräte sind sehr interessant. Gerade, um außer Haus zu kreativ zu sein und Impressionen festzuhalten. Heutzutage kann man mit Hilfe von Apps eben schnell ein Foto oder einen Brush machen, oder auch schnell etwas skizzieren. Ohne sie würde man inspirierende Motive vielleicht schnell vergessen.
Für den ersten Schritt, finde ich das schon super, weil man seine Ideen direkt bzw. digital festhalten und so etwas wie Bleistiftskizzen ersetzen kann. Im Endeffekt führt für mich dann aber kein Weg daran vorbei, zu Hause nochmal in Ruhe Photoshop oder Illustrator anzuschmeißen und die Ideen in Ruhe am Laptop oder Computer umzusetzen.
Behance als Inspiration
Wie siehst du den Einfluss von sozialen Medien, wie Facebook, Twitter & Co. auf die Kreativ-Branche?
DM: Ich muss zugeben, dass ich persönlich nicht so „social“ bin. Ich bin kaum aktiv bei Facebook und hänge auch nicht den ganzen Tag vor Instagram. Vielmehr versuche ich mich da ein bisschen rauszuhalten, weil ich ab und zu den Eindruck habe, dass die Informationsflut zu groß ist und man sich eigentlich zu sehr mit dem beschäftigt, was andere Leute so machen und nicht mehr zum Abschalten kommt.
Was ich allerdings aktiv betreibe, ist ein Profil auf Behance. Da muss ich sagen, dass sich hier im Vergleich zu meinen Anfangszeiten, vor etwa acht Jahren, unheimlich viel verändert hat. Mir reicht eigentlich Behance, um mitzubekommen, wer momentan welche Projekte macht und was für Trends gerade entstehen. Auf Behance hat man wirklich eine gute Auswahl an vielen tollen Künstlern, die ich teilweise sogar privat kenne und auch echt bewundere. Da hole ich mir dann immer mal wieder meine Inspiration, aber an sich versuche ich mich auf meine eigenen Arbeiten und meine eigenen Ideen zu konzentrieren.
Du warst vor kurzem mit dem Adobe Team in Berlin und hast in unserem neuen Make It-Film einen kleinen Einblick in deine Arbeitsweise gegeben. Wie war das alles so für dich?
DM: Ich wusste vorher nicht genau, was mich erwarten würde, da ich so etwas in dieser Form auch noch nie gemacht habe. Also habe ich mich einfach in das Projekt gestürzt und das war für mich wohl auch die richtige Herangehensweise, ansonsten hätte mich die ungewohnte Situation des Drehs einfach viel zu sehr gestresst. Natürlich gab es sehr viel zu tun, ich musste innerhalb von zwei Tagen ein möglichst cooles Artwork erstellen und ich wollte selbstverständlich, dass das gut wird und ich glücklich damit bin. Ich bin in der Hinsicht schon sehr perfektionistisch und möchte immer, dass die Artworks gut werden und ich sie guten Gewissens in mein Portfolio packen kann. Aber das Team war super, alle Leute waren total lässig und insgesamt war es ein tolles Projekt. Ich bin sehr froh, mitgemacht zu haben.
Berlin als Europas Hauptstadt der Street Art
Das Video zeigt sehr direkt, wie wichtig Street Art in der deutschen Hauptstadt ist. Was hältst du als Künstler generell von Berlin?
DM: Ich hatte leider dieses Mal nur wenig Zeit und konnte mir nicht viel anschauen, aber Berlin war für mich schon immer ein Hotspot für Design und insbesondere für Street Art. Dass Graffiti hier so stark vertreten ist, hat mir an Berlin schon immer gefallen. Überall gibt es eine Szene, überall machen Leute seit vielen Jahren ihre Kunst und es kommen auch ständig neue Künstler dazu. Berlin war in den letzten Jahrzehnten für mich immer die Street Art Hauptstadt Deutschlands, wenn nicht sogar Europas.
Auch deine starke Verbindung zu Street Art haben wir in dem Video gesehen. Wie stark würdest du den Einfluss von Street Art auf die kommerzielle Design/Werbe-Branche einschätzen?
DM: Ich denke auf jeden Fall, dass Street Art ein wichtiger Teil von Design im Allgemeinen ist. Sowieso verschmelzen verschiedene Bereiche der Kunst heutzutage miteinander. Wenn man sich jemanden wie Banksy anschaut, der mittlerweile ein Superstar ist, oder Street Art, die in Galerien hängt, dann sieht man wie weit diese Kunstform gekommen ist. Und natürlich verschmilzt es so auch immer mehr mit kommerziellen Angeboten und Design-Konzepten, beispielsweise wenn Popstars einen Street Artist für ihr neues Album-Cover engagieren. Ich denke ohnehin, dass Street Art schon länger ein wichtiger Teil von Design ist – und Agenturen springen immer auf solche kreativen Trends und Subkulturen an.
Lightroom als Workflow-Turbo
Werfen wir einen Blick auf die Arbeit mit der Creative Cloud. Wenn du am Laptop arbeitest: Welche Programme nutzt du am häufigsten?
DM: Hauptsächlich benutze ich Lightroom, weil es für mich einfach ideal ist, um meine Fotos zu bearbeiten. Wenn ich zurück denke an die früheren Versionen von Photoshop, dann ist der Workflow mit Lightroom einfach viel schneller und einfacher. Dazu kommen die Presets, die einem einfach so viel Zeit sparen. Illustrator ist für mich eigentlich das kreativste Programm, mit dem ich am meisten ausprobieren und mit verschiedenen Effekten spielen kann. Das war daher eigentlich schon immer mein Lieblingsprogramm, weil hier mit einigen wenigen Klicks teilweise unglaubliche Sachen herauskommen. Für den „final touch“, wenn ich ein Artwork also abschließend bearbeite, verwende ich häufig Photoshop. Das beinhaltet einfach noch mehr feine Möglichkeiten und Tools. Ansonsten nutze ich auch Bridge zur Organisation und Verwaltung meines Contents. Und die Mobile Apps wie Brush und Sketch finde ich sehr cool und hilfreich.
Wenn du deinen Stil beschreiben müsstest, wie würdest du das generell tun?
DM: Ich habe immer versucht, möglichst viele Stilrichtungen auszuprobieren. Ich wollte mich also nie auf einen Stil festsetzen und den dann durchziehen. Was kommerzielle Projekte betrifft, habe ich eher einen ziemlich „cleanen“ Stil. Ich arbeite beispielsweise viel mit grauen und leeren Hintergründen. Häufig benutze ich auch 3D-Illustrationen, da vermischen sich dann verschiedene Looks. Im Gegensatz zu vielen anderen Künstlern erstelle ich die 3D-Werke mit Adobe Illustrator, dafür nutze ich das Blend-Tool „Angleichen“. Den Feinschliff mache ich dann mit Photoshop. Vielleicht ist das eine Besonderheit meines Styles, da es dem Artwork eine eigene Ästhetik verleiht. Ganz etwas anderes sind dann nochmal typografische Sachen, die ich mache häufig mit einem kalligrafischen Look. Da komme ich dann immer wieder zurück zum Anfang, zurück zum Graffiti. Das macht mir nach wie vor sehr großen Spaß. Ab und zu gehe ich auch noch raus und male selber.
Kunst ist natürlich auch immer eine Ausdrucksform der eigenen Persönlichkeit. Für unsere aufstrebenden Künstler: Was würdest du einem jungen Kreativen als Ratschlag mit auf den Weg geben?
DM: Es ist sehr wichtig, immer mit dem Herzen dabei zu sein und einfach Spaß bei der Sache zu haben. Bei mir war es so, dass ich immer eine innere Motivation hatte und einfach immer etwas kreieren wollte. Ich glaube, man sollte nicht so sehr auf andere schauen und irgendwelchen Trends hinterher hecheln, sondern lieber seinen eigenen Stil entwickeln. Um den zu finden, muss man natürlich sehr viele Sachen ausprobieren und einfach auf sich schauen. Trotzdem ist es wichtig, immer ein offenes Auge für neues zu haben, ganz klar. Aber manchmal muss man sich auch abschotten und überlegen: Wie sehe ich das? Wie möchte ich an dieses Thema herangehen? Und dann ziehe einfach dein eigenes Ding durch!
Vielen Dank für das Gespräch!
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