Keine Angst vor Tesla oder Google Car: Die deutsche Fahrzeugindustrie sieht sich in den nächsten zehn Jahren zum „Digital Leader“ aufsteigen. Die große Mehrheit der für eine Studie des Dachverbandes Bitkom befragten Auto-Manager (86 Prozent) prognostiziert ihrer Branche einen Platz in der Spitzengruppe (64 Prozent) oder sogar an der Weltspitze (22 Prozent).
„Die deutsche Automobilindustrie hat aufgrund ihrer Größe, Innovationskraft und Finanzstärke beste Voraussetzungen, digitale Technologien zu entwickeln und erfolgreich zu vermarkten“, begrüßt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder den Optimismus der Fahrzeughersteller. Allerdings zeigten neue Wettbewerber zum Beispiel bei der Entwicklung digital gestützter Mobilitätskonzepte oder der Elektromobilität, dass bestehende Marktpositionen nicht in Stein gemeißelt sind.
Der Wandel kommt schneller als gedacht
In der Tat. Laut der aktuellen Studie „Global Automotive Executive Survey“ des Beratungsunternehmens KPMG wird die digitale Vernetzung der Fahrzeuge für einen wesentlich schnelleren Wandel der Automobilbranche sorgen als bisher angenommen. 82 Prozent der befragten Experten halten demnach einen einschneidenden Wandel des Geschäftsmodells in der Automobilbranche innerhalb der nächsten fünf Jahre für „ziemlich“ oder „sehr“ wahrscheinlich. Letzteres stößt bereits bei 28 Prozent auf Zustimmung, das sind zehn Mal so viele Studienteilnehmer wir noch vor einem Jahr (3 %). „Vernetzung und Digitalisierung“ wählten die Befragten jetzt als Top-Trend der kommenden zehn Jahre auf Platz 1 der Rangliste (2015: Platz 10).
„Die Hersteller müssen sich davon lösen, ausschließlich produkt- und technologiegetrieben zu denken. Wer auch künftig noch dominierender Player sein und den Anschluss an die IT- und Telekommunikationsbranche nicht verlieren will, muss ein neues Geschäftsmodell entwickeln. Eines, das darauf basiert, Fahrzeugdaten zu gewinnen, zu analysieren und zu verwerten und auch fahrzeugunabhängige Produkte und Dienstleistungen anzubieten“, so Dieter Becker, Global Head of Automotive bei KPMG. Überleben würden nur Autobauer, die es schaffen, sich vom „Blechbieger“ zum „Gridmaster“, also dem Herrscher des gesamten Netzes, zu entwickeln. Letzten Endes werde es darum gehen, die Kundenbeziehung über den gesamten Lebenszyklus innerhalb und außerhalb des Autos zu bestimmen.
Wem gehören die Daten aus dem Auto?
Doch das könnte laut der Studie schwierig werden. Nur noch jeder dritte der befragten Experten meint, dass es auch künftig maßgeblich die Hersteller sein werden, die den direkten Kontakt zum Autofahrer halten (33 %), viel weniger als noch vor einem Jahr (72 %). Bereits 22 Prozent der Befragten sehen hier die Unternehmen der IT-, Kommunikations- und Technologiebranche demnächst als führend an, mehr als fünfmal so viele wie noch 2015 (4 %).
Das wahrscheinlichste Geschäftsmodell für traditionelle Hersteller im Jahr 2025 sehen die Befragten in Produktion und Verkauf von Fahrzeugen einschließlich technologischer Zusatzeinrichtungen wie vernetzter Multimediaanwendungen (36 %). Weitere 20 Prozent aller Befragten (und 25 % der Hersteller) gehen davon aus, dass sich am klassischen Modell (reine Herstellung und Verkauf von Fahrzeugen) in den nächsten zehn Jahren nichts ändern wird.
Für Becker ein gefährlicher Trugschluss: „Die Automobilfirmen müssen versuchen, die Kundenbeziehungen zu beherrschen und die Schnittstelle zum Kunden zu managen.“ Dabei steht allerdings die Frage nach dem Eigentümer der im und aus dem Fahrzeug heraus generierten Daten. 39 Prozent aller für die KPMG-Studie Befragten sind der Ansicht, dass der Besitzer beziehungsweise Fahrer eines Autos alleiniger Inhaber der Kundendaten sein wird. Doch sind auch fast genauso viele Hersteller (35 %) der Meinung, dass ihnen die Daten „gehören“.
Dabei wurde allerdings diese Rechnung wohl ohne die Fahrzeugbesitzer gemacht. Denn nur jeder fünfte Kunde (21 %) ist dazu bereit, wie eine Endkundenumfrage von KPMG zu diesem Thema im Rahmen der aktuellen Studie zeigt. Die Mehrheit der Autofahrer möchte den Umgang mit ihren Daten am liebsten ganz in eigenen Händen wissen (54 %). „Selbst, wenn sich der Kunde des Wertes seiner Daten immer mehr bewusst ist und über sie verfügen mag, kann er selbst daraus kaum Profit schlagen. Er benötigt einen Partner, dem er vertraut und der die Daten sicher und intelligent auch zu seinem Vorteil verknüpfen vermag“, empfiehlt Autoexperte Becker.
Digital Customer Lifecycle in der Automobilbranche
Die Hersteller sollten sich deshalb frühzeitig Gedanken über Anreizsysteme machen, damit ihnen ihre Kunden bereitwillig ihre Daten zur Auswertung und Nutzung überlassen. Dabei müssten sie natürlich regionale und kulturelle Unterschiede berücksichtigen und ihr Geschäftsmodell entsprechend anpassen. Wie so etwas ganz praktisch aussehen kann, ist am 23.2. bei den Adobe Digital Marketing Days in Frankfurt im CineStar Metropolis zu sehen. Matthias Holler, Senior Principal Consultant bei unserem Partner Namics stellt in seinem Vortrag „Die Gestaltung eines Digital Customer Lifecycles mit Adobe am Beispiel Automotive“ ein entsprechendes Projekt vor. Nach der Veranstaltung steht seine Präsentation zum Download bereit.
Und in dieser Infografik gibt es noch einige Details aus der KPMG-Studie:
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