Nahezu alle deutschen Unternehmen (96 Prozent) in wichtigen Branchen sehen die Digitalisierung für sich als Chance – nur für die wenigsten stehen die Risiken im Vordergrund. Das hat eine Umfrage im Auftrag des Digitalverbands Bitkom unter 556 Unternehmen ab 20 Mitarbeitern ergeben, die letzte Woche auf der Hub Conference des Verbandes vorgestellt wurde.
Sie untersucht auch für die Branchen Automobilbau, Banken, Medien, Pharmaindustrie und Touristik, wo die deutsche Wirtschaft in zehn Jahren – nach der erfolgreichen Digitalisierung – stehen wird? Die größte Zuversicht haben danach die Manager der Fahrzeughersteller: 86 Prozent der Befragten sagen, dass ihre Branche im Jahr 2015 bei der Digitalisierung in der Spitzengruppe (64 Prozent) oder sogar weltweit führend sein wird (22 Prozent).
Und das sind die wichtigsten Digitaltrends in einzelnen Branchen:
- Im Gesundheitswesen wird Big Data in zehn Jahren Medizinern dabei helfen, Krankheiten zu diagnostizieren und individuelle Therapien zu entwickeln. Die Telemedizin wird zum Alltag gehören. In vielen Operationssälen werden Roboter eingesetzt, mit 3D-Druck-Verfahren Prothesen und Implantate gefertigt und Mikrochips eingesetzt, um die Funktionen von Organen zu überprüfen.
- Im Finanzwesen entwickelt sich das Smartphone zum Dreh– und Angelpunkt für Bankgeschäfte. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Filialen drastisch ab. Finanzberatung wird stärker online und intelligent automatisiert erfolgen. In Geschäften zahlen Kunden in zehn Jahren mit Smartphones und Wearables. In vielen Läden ist dafür nicht mal mehr eine Kasse notwendig. Zudem sagen 61 Prozent der Finanzmanager, dass Bargeld nicht mehr das dominierende Zahlungsmittel sein wird.
- Beim Thema Intelligente Mobilität rechnet die Hälfte der befragten Manager aus der Fahrzeugbranche damit, dass sich selbstfahrende Autos spätestens in 15 Jahren in der Breite durchgesetzt haben. Die Vernetzung von Fahrzeugen und der Trend zur Elektromobilität werden neue Mobilitätskonzepte ermöglichen und viele neue Geschäftsmodelle schaffen.
Weiter Weg zur digitalen Transformation
Doch bis diese Zukunftsvisionen Wirklichkeit geworden sind, liegt noch ein weiter Weg vor der deutschen Wirtschaft. In den befragten Branchen betrachten sich heute im Schnitt nur 37 Prozent der Unternehmen als Vorreiter bei der Digitalisierung. Bei der Mehrheit hapert es dagegen noch bei der Umsetzung: 56 Prozent der Befragten sehen sich bei der Digitalisierung eher als Nachzügler und weitere 8 Prozent halten sich sogar für abgeschlagen.
Nach den Ergebnissen der Umfrage hat etwa die Hälfte der Unternehmen – zwischen 44 Prozent der Autohersteller und 57 Prozent der Touristik-Anbieter – eine zentrale Strategie für unterschiedliche Aspekte der Digitalisierung. Doch das reicht nach Ansicht des Dachverbandes nicht aus. Denn bei einer Verengung auf Einzelaspekte der Digitalisierung bestehe die Gefahr, die Entwicklung grundsätzlich neuer Geschäftsmodelle zu vernachlässigen.
Darüber hinaus hätten aber viele Unternehmen überhaupt noch gar keine Digitalstrategie: In den Medien (34 Prozent) und in der Touristik (35 Prozent) sind es gut ein Drittel, in der Auto– und Pharma-Branche jeweils ein Viertel (25 bzw. 27 Prozent) sowie im Bankensektor 17 Prozent.
Veränderte Wettbewerbssituation durch neue Herausforderer
Laut der Studie verändert sich für viele Unternehmen die Wettbewerbssituation mittlerweile deutlich. Über die Branchen hinweg sagt etwa die Hälfte, dass Wettbewerber aus der Digitalbranche in ihren Markt drängen: Jeweils 45 Prozent der Auto– und Pharma-Produzenten, 53 Prozent der Banken und sogar 62 Prozent der Medienunternehmen. Fast zwei Drittel der Banken (65 Prozent) und gut die Hälfte der der Fahrzeugbauer (54 Prozent) betrachten große Unternehmen der Digitalbranche als Konkurrenz bei disruptiven Neuentwicklungen, die ihre Märkte grundlegend verändern, indem sie bestehende Produkte oder Dienste ersetzen.
Was behindert den digitalen Wandel?
Bei der Frage nach den größten Hindernissen für die Digitalisierung ist das Thema Regulierung in drei Branchen unter den beiden wichtigsten Hemmnissen gelandet. So sagen 81 Prozent der Banken, dass Innovationen im Finanzbereich durch eine zu starke Regulierung gebremst werden. Das Gleiche gilt aus Sicht der Pharma-Unternehmen (61 Prozent) für das Gesundheitssystem. Nach Ansicht der Autobauer fehlt es beim autonomen Fahren noch an einem rechtlichen Rahmen, zum Beispiel bei Haftungsfragen. Die Medien-Manager beklagen an erster Stelle die mangelnde Zahlungsbereitschaft für digitale Inhalte (88 Prozent) und die Touristik-Manager fehlende IT-Experten in ihren Unternehmen (58 Prozent).
Die wichtigsten Handlungsfelder für die Politik sind über die Branchen hinweg der Breitbandausbau (66 Prozent), Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel (50 Prozent) und mehr Engagement bei der IT-Sicherheit (47 Prozent). Ebenfalls häufig genannt werden einheitliche Datenschutzgesetze in Europa (38 Prozent) und die Förderung von Industrie 4.0 (29 Prozent). Die Digitalisierung muss nach Auffassung des Bitkom als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden, Start-ups seien besser zu fördern, der Breitbandausbau erfordere eine politische Flankierung. Zudem gelte es, digitale Technologien erfolgreich zu entwickeln und zu vermarkten.
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